„Der Krieger verlässt den Platz“

Rede von Werner Nienhüser bei der Gedenkveranstaltung am Denkmal Lippramsdorf 2023 (7. Mai 2023)

Sehr geehrte Damen und Herren,

danke, dass Sie zu dieser Veranstaltung gekommen sind. Mein Name ist Werner Nienhüser, ich spreche hier für die Gruppe Denk.Mal vom Halterner Forum für Demokratie, Respekt und Vielfalt, die hier bereits im letzten Jahr eine ähnliche Gedenkveranstaltung gemacht hat (www.denkmallippramsdorf.de).

Danke aber zunächst an die Musiker (Rüdiger und Gregor Beckemeier, Frank Wittek und Matthias Wozniak), die uns mit ihren Saxofonen den Morgenchoral des Peachum aus der Dreigroschenoper zum Einstieg vorgetragen haben.

Morgen, Montag, ist der 8. Mai. Am 8. Mai 1945, vor 78 Jahren, endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Die Alliierten siegten über Deutschland. Wir erinnern heute an diesen Tag.

Aus heutiger Sicht war der 8. Mai 1945 ein Tag der Befreiung. Sicher haben nicht alle Deutschen das so empfunden. Viel zu viele hatten aktiv oder passiv die Nazis unterstützt1Wolfgang Benz, “Zwischen Amnesie und Erinnerungskultur” – Die Deutschen und der 8. Mai 1945, in: Deutschland Archiv, 24.5.2019, Link: www.bpb.de/291762[/mfn].

Ganz gewiss war der Tag eine Befreiung für die Menschen in den Konzentrationslagern, in den Kriegsgefangenen- und Zwangsarbeiter-Lagern und in den Gestapo-Gefängnissen. Eine Befreiung war der Tag auch für die desertierten Soldaten und diejenigen, die im Widerstand aktiv waren.

Auf jeden Fall endete am 8. Mai die Herrschaft der Nationalsozialisten. Ein demokratisches System wurde möglich.

Meine Damen und Herren, warum machen wir diese Gedenkveranstaltung hier vor diesem Kriegerdenkmal? Das Motto unserer letzten Veranstaltung (2022) lautete: „Rosen statt Handgranaten“. Das heutige Motto ist: „Der Krieger verlässt den Platz“.

Wir wollen von der Gruppe Denk.Mal, dass diese aggressiven Soldatenfiguren wegkommen. Oder wir brauchen eine Art Gegendenkmal. Dafür gibt es in vielen Städten Beispiele. Dieser Ort verdient ein wirkliches Mahnmal. Es sollte hier ein Ort des Friedens sein, der friedvolles Trauern ermöglicht.

Die beiden Soldatenfiguren sind alles andere als friedvoll, die Figuren sind aggressiv. Sie stehen nicht für Verteidigung. Sie stehen für Angriff. Sie verherrlichen den Krieg.

Mit den roten Rosen statt Handgraten haben wir die Figuren auch in diesem Jahr ein klein wenig umgestaltet. Die Soldatenfiguren zu entfernen oder ein Gegendenkmal zu errichten – das wird uns zumindest heute nicht gelingen. Stattdessen werden wir stellvertretend eine bizarre Holzfigur von diesem Platz entfernen.

Ich bitte um die Enthüllung der Figur.

Wir werden zum Schluss der Gedenkveranstaltung die Holzfigur vom Platz tragen. Mit diesem Wegtragen wollen wir symbolisch das von diesem Platz entfernen, was die Soldatenfiguren ausdrücken.

Wir entfernen vom Platz:

  • die Verherrlichung von Gewalt und Waffen;
  • die Verherrlichung von Angriffslust und Angriffskrieg.

Wir entfernen vom Platz:

  • den Geist blinden Gehorsams;
  • die immer wiederkehrenden Wünsche nach einem autoritären Gesellschaftssystem.

Bevor wir aber die Figur vom Platz tragen, dürfen wir noch weiter Gedichte und Musik zu hören. Wir hören nun zwei Gedichte, vorgetragen von Norbert Schulz. Das erste Gedicht stammt von Ernst Jandl: „Vater komm erzähl vom Krieg“. Das zweite aphorismushafte Gedicht „Krieg“ hat Helga Schäferling geschrieben. Als Musik hören wir die „Ballade vom angenehmen Leben“, gespielt vom Saxofon-Quartett.

Meine Damen und Herren, wir kommen zum Ende der Veranstaltung. Ein vorletztes Wort, um hoffentlich Missverständnisse vor allem in Lippramsdorf zu vermeiden: Wir glauben, dass Menschen einen Ort der Trauer um ihre Angehörigen brauchen. Trauer sollte auch an diesen Ort weiterhin möglich sein. Wir meinen aber, dass Trauer friedvoller wäre ohne diese aggressiven Soldatenfiguren oder mit einem Gegendenkmal, dass ihre Aggressivität neutralisiert.

Also: „Der Krieger verlässt den Platz“. Wir werden die Holzfigur gleich wegtragen. Sie sollten hier stehenbleiben und noch ein Musikstück hören. Und zwar den Kanonensong aus der Dreigroschenoper.

Nach dem Musikstück endet die Veranstaltung. Sie können gerne mit den Mitgliedern der Arbeitsgruppe Denk.Mal diskutieren. Sie können auch eine oder zwei Postkarten zur Erinnerung mitnehmen. Wir entfernen jetzt mit der Figur symbolisch von diesem Platz: Gewaltverherrlichung, Militarismus und autoritäres Denken. Vielen Dank den Musikern (Rüdiger Beckemeier und der großartigen Musikergruppe). Vielen Dank den Vortragenden. Danke Ihnen, dass Sie dabei waren. Wir hoffen, wir sehen uns spätestens im nächsten Jahr an dieser Stelle wieder.

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