Wie die AfD am Volkstrauertag gedenkt – Position des Halterner Forums für Demokratie, Respekt und Vielfalt

Stellungnahme des Forums zu den Vorstellungen der AfD zum Volkstrauertag

Haltung der AfD zu Gedenkveranstaltungen zum Kriegsende

Auch bei den Gedenkveranstaltungen zum Kriegsende will die AfD „die Deutschen“ als Opfer in den Vordergrund rücken.

Wie die AfD bezogen auf das Gedenken am 8. Mai argumentiert, kann man an der Diskussion im November 2024 im Thüringer Landtag exemplarisch sehen. Debattiert wurde darüber, den 8. Mai zum Feiertag zu machen. Die Fraktion Die Linke hatte einen entsprechenden Antrag gestellt. Die AfD nutzte die Gelegenheit, ihre Lesart der Geschichte zu präsentieren. Zitate habe ich weiter unten wiedergegeben.

Das Projekt „Geschichte statt Mythen“, eine Forschungs- und Dokumentationsprojekt am Lehrstuhl Geschichte in Medien und Öffentlichkeit der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, kommentiert die Position der AfD so:

„Die Verbrechen des Nationalsozialismus, das Leid der Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora – sie erwähnt Schlösser (AfD)1Hinzufügung des Parteinamens durch WN. mit keinem Wort. Er spricht ausschließlich von deutschen Opfern, spricht über Flucht und Vertreibung und über die Vergewaltigung deutscher Frauen durch alliierte Soldaten. Der AfD-Abgeordnete nutzt für seine Argumentation die typische „Verzahnungs“-Strategie des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek2Hier steht auf der Webseite „Geschichte statt Mythen“ folgender Text in einer Fußnote: „Vgl. Götz Kubitschek: Selbstverharmlosung. In: Sezession 76 (2017), S. 26–28.“ Götz Kubitschek ist ein rechtsextremer Verleger (https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6tz_Kubitschek).: Der Tabubruch wird relativiert durch Verweis auf ähnliche Äußerungen demokratischer Politiker. Bei Schlösser müssen die ehemaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss und Richard von Weizsäcker dafür herhalten: Aus deren Reden aus den 1950er-Jahren und von 1985 reißt er Passagen aus dem Kontext, in denen die beiden Politiker auf deutsches Leid verweisen.“ (https://www.geschichte-statt-mythen.de/en/aktuelles/Schuldumkehr-im-Landtag)3„Geschichte statt Mythen ist ein Forschungs- und Dokumentationsprojekt am Lehrstuhl Geschichte in Medien und Öffentlichkeit der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Das Projekt wird von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gefördert.“ https://www.geschichte-statt-mythen.de

Letztlich sei Schlössers Rede durch eine „klassische geschichtsrevisionistische Schuldumkehr“ gekennzeichnet, indem „die Alliierten als die eigentlichen Kriegsverbrecher“ hingestellt würden.

Eine Kostprobe vom „Sound“ der Rede des AfD-Abgeordneten:

„Eine Umwidmung des wohlweislich für viele Deutsche nachhaltig tragischen Tages in einen Feiertag ist letztlich ein Musterbeispiel für linke Cancel-Culture. Sie löschen das Leid der Betroffenen einfach aus. Es ist nicht weniger als das Umschreiben der Geschichte im Orwell’schen Sinne. Das ist im besten Falle töricht, aber Ihnen fehlt wohl eher jede Empathie. Sie gehen aus rein ideologischen Gründen über Schicksale hinweg, ja, Sie gehen mit Ihrem Antrag, wenn man es scharf formuliert, sprichwörtlich über Leichen hinweg. (Zwischenruf Abg. Schubert, Die Linke: So ein Unsinn! Absolute Demagogie!) Die millionenfache Vertreibung von Deutschen aus ihrer angestammten Heimat in den verlorenen Landesteilen kann nur von einem Zyniker als feiernswerte Befreiung beschrieben werden, ganz zu  schweigen von den zahllosen Vergewaltigungen deutscher Frauen durch alliierte Soldaten.“

Hier ein Zitat aus der Erwiderung der Abgeordneten König-Preuss (Die Linke):

„Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen der demokratischen Fraktionen, das, was wir gerade hier am Pult gehört haben, ist am Ende eine Bestätigung für die Notwendigkeit des 8. Mai als Feiertag nächstes Jahr. (Beifall BSW, Die Linke, SPD) Wir leben in Zeiten, in denen es in den Parlamenten innerhalb  Deutschlands wieder normal geworden zu sein scheint, Geschichtsrevisionismus, den man so bisher nur von Nationalsozialisten kannte, an Pulten von sich zu geben, den Holocaust, die Schoah zu relativieren, indem man das Leid, was zum Teil über Menschen gekommen ist, plötzlich mit der Schoah vermischt und gleichsetzt und an keiner Stelle auch nur mit einem Wort erwähnt, wer am 8. Mai befreit wurde. (Beifall BSW, Die Linke, SPD) Es geht nämlich entgegen dessen, was gerade aus der extrem rechten Fraktion der Holocaust-Verharmloser hier vorn vorgetragen  wurde, nicht darum, ob wir befreit wurden – unsere Vorfahren, unsere Großväter, unsere Großeltern, die, wenn wir uns ehrlich machen, alle Teil des Systems waren, die einen aktiv durch entsprechende Handlungen und die anderen im besten Fall passiv durch zustimmendes Schweigen. Der Unterschied zwischen zustimmendem Schweigen und aktivem Handeln ist nicht groß. Befreit wurden am 8. Mai nicht zuerst und nicht vordergründig unsere mit dabei  gewesenen Vorfahren, sondern befreit wurden Juden und Jüdinnen in Konzentrationslagern. Befreit wurden  diejenigen, die ausgerottet, ausgelöscht und vernichtet werden sollten. Für die ist es ein Tag der Befreiung.“

Quelle: Thüringer Landtag – 8. Wahlperiode – 3. Sitzung (14.11.2024), Protokoll ab Seite 180

Anmerkungen

  • 1
    Hinzufügung des Parteinamens durch WN.
  • 2
    Hier steht auf der Webseite „Geschichte statt Mythen“ folgender Text in einer Fußnote: „Vgl. Götz Kubitschek: Selbstverharmlosung. In: Sezession 76 (2017), S. 26–28.“ Götz Kubitschek ist ein rechtsextremer Verleger (https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6tz_Kubitschek).
  • 3
    „Geschichte statt Mythen ist ein Forschungs- und Dokumentationsprojekt am Lehrstuhl Geschichte in Medien und Öffentlichkeit der Friedrich-Schiller-Universität Jena in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Das Projekt wird von der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) gefördert.“ https://www.geschichte-statt-mythen.de

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